Mit den Jahren wird mir immer mehr klar, dass die Auseinandersetzung mit Musik ein existenzielles Bedürfnis für mich ist, ebenso unverzichtbar wie das Atmen. Sich mit Musik beschäftigen bedeutet, sich auf die Suche zu begeben. Auf die Suche nach neuen Klängen, Stilen, Ausdrucksformen und Harmonien. Musik kann Heimat sein, aber auch fremd bleiben. Als Pädagogin suche ich nach dem richtigen Zugang, dem Weg zu lernen und zu verstehen. Und als Künstlerin bin ich auf der Suche nach der eigenen Stimme, ihrem Klang und ihrem Charakter und damit letztlich auf der Suche nach der eigenen Identität. Das ist eine Suche, die ein Leben fortdauert und die einen – wenn man die Geduld aufbringt und die Sehnsucht einen nicht loslässt – immer aufs Neue erfreut, herausfordert und inspiriert.

Musik professionell zu betreiben, ist mir nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Erst in den Teenagerjahren erhielt ich meinen ersten Instrumentalunterricht auf der Geige und später am Klavier und es vergingen wiederum einige Jahre, bis mir klar wurde, dass meine Leidenschaft zur Musik so groß ist, dass ich mein Hobby zum Beruf machen möchte. Mit dem Wechsel ans Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt erhielt ich dann die Förderung und Unterstützung, um 2006 die Aufnahmeprüfung für Schulmusik in Mainz zu bestehen. Ich genoss die breite inhaltliche Aufstellung des Studiums sehr: das intensive Studium klassischer Klaviermusik, die musikwissenschaftlichen, musiktheoretischen und pädagogischen Anteile des Studiums und das wissenschaftliche Arbeiten, den Geigen-, Gesangs- und Dirigierunterricht sowie das Singen in verschiedenen Chören. Jedoch wurde mir auch immer mehr bewusst, dass das Berufsziel, Lehrer an einem Gymnasium zu werden, nicht meines ist. Immer mehr wuchs in mir der Wunsch, mehr an meiner Stimme zu arbeiten und Wege zu finden, meine Gefühle und Emotionen über meine Stimme auszudrücken. Mit dem klassischen Gesang hatte ich große Mühe und spürte einen großen inneren Widerstand gegen diesen Stimmsound, sodass ich beschloss, nochmal alles auf Null zu setzen und mich auf die Suche nach meinem eigenen individuellen Stimmklang zu machen, der sich für mich und meinen Körper stimmig anfühlt. Außerdem hatte ich das Gefühl, kein ‚richtiger‘ Musiker zu sein, denn ohne Noten hatte ich nichts zu sagen. So startete ich nach Abschluss des 1. Staatsexamens 2006 ein zweites Studium, in welchem ich neben neuen Gesangstechniken auch mit freieren Formen der Interpretation und Improvisation experimentierte.

Intensive Studienjahre mit vielen Prüfungsphasen, Zeiten der totalen Umorientierung und Suche, krisenhaft und zweifelnd, haben mich gezwungen, immer wieder meinen Lernweg zu hinterfragen und nach Möglichkeiten zu suchen, sich selbst ein besserer Pädagoge zu sein. So ist u.a. die Beschäftigung mit Yoga ein fester Bestandteil meines Weges geworden. Musik spielt auf unserem Körper wie auf einem Instrument, daher muss der Körper wie ein Instrument immer wieder neu gestimmt werden. Der Körper muss eine Balance zwischen Spannung und Entspannung finden, geerdet und zugleich durchlässig sein, um nicht ein Hindernis und Blockade für technische Schwierigkeiten und den musikalischen Ausdruck darzustellen. Körperarbeit in Verbindung mit dem Atem ist daher auch Teil meines Unterrichts. Gerade weil ich selbst die Höhen und Tiefen einer künstlerischen Entwicklung kenne, betrachte ich es als Privileg, andere Menschen auf ihrer Suche zu begleiten – ob jung oder alt. Wohin es mich künstlerisch noch verschlagen wird, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber die Suche bleibt weiter spannend und ich bin offen und neugierig für neue Erfahrungen und Entwicklungen.